Tibet-Tee. Das Interview.
Redaktionsteam Tibet-Tee: Liebe Frau Lin, hatten Sie heute schon eine Tasse Tibet-Tee?
J. Lin: Wenn ich ehrlich bin: nein! Meine persönliche Tibet-Tee-Zeit ist erst nachmittags zur „klassischen Teezeit“, so gegen 15:00, 16:00 Uhr. Die tägliche Tibet-Tee-Stunde gehört fest zu meinem Alltag. Die kleine Zeremonie ist für mich die entspannteste Art, ein paar Stufen herunterzufahren – der Tibet-Tee ist mein „Entstresser“, wenn man so sagen darf.
R.T.: Eine Tibet-Tee-Zeremonie? Darüber wollen wir später gerne mehr erfahren. Erzählen Sie uns doch bitte zu Beginn, wie Sie auf die Idee kamen, Tibet-Tee nach Deutschland und nach Berlin zu bringen?
J. Lin: Aber gerne: Tee-Spezialitäten wie der Tibet-Tee begleiten und begeistern mich seit meiner Kindheit. Anfangs spielte natürlich der reine Teegenuss, also der Teegeschmack, eher eine untergeordnete Rolle. Mich faszinierten vor allem die uralten chinesischen Tee-Traditionen. Dazu muss man wissen, dass die überlieferten Rituale der Tee-Zubereitung in unserer Familie sehr konsequent, um nicht zu sagen kompromisslos befolgt wurden. Wir Kinder zu Hause liebten die heimlichen Besuche in der kleinen Nebenkammer der Küche. Hier bewahrten meine Eltern ihre „Tee-Schätze“ auf – selbstverständlich auch den bei den „Erwachsenen“ so beliebten Tibet-Tee.
Zwei wunderbare Tee-Service, diverse Tee-Schalen, Becher und eine weißblaue Tee-Porzellankanne behütete und umsorgte meine Mutter wie uns Kinder. Das sind wirklich schöne, unvergessliche Erinnerungen! Die unbeschwerten Kindertage schwingen heute beim Genuss jeder Tasse Tee unwillkürlich mit. Klar, dass für mich persönlich daher „die Tasse Tee“ am Tag viel mehr ist als ein anregendes, gesundes Heißgetränk.
Um auf die Frage zurückzukommen. Als ich vor Jahren nach Berlin kam, fand ich nahezu alle denkbaren Tee-Spezialitäten vor. Wer wie ich in der Tee-Abteilung eines „berühmten Berliner Kaufhauses“ vor den Regalen aus dem Staunen nicht mehr herauskam, weiß, wovon ich spreche: unzählige Marken, diverse Anbaugebiete wie Afrika, Australien, Japan, Indien, Sri Lanka oder China, zahlreiche Teesorten in allen möglichen Geschmacksnuancen – aber speziell Tibet-Tee? Fehlanzeige! Diesen Zustand wollte und musste ich unbedingt ändern.
Zahlreiche Reisen schlossen sich an – unter anderem nach Yunnan, dem traditionellen Anbaugebiet des Tibet-Tees, nach Lhasa oder in die chinesische Provinz Sichuan. Sehr wertvolle Kontakte und Erkenntnisse reicher gründete ich 2017 schließlich die Tibet-Tea Fairtrade GmbH in Berlin.
Ich bin heute mehr denn je der Überzeugung, dass Kultur, Geschichte und der Geschmack der wunderbaren Tibet-Tee-Schwarztee-Kompositionen unbedingt bekannter gemacht werden müssen. Nach der Unternehmensgründung und der Entwicklung der Marke Simalaya, gehe ich nun mit dem Vertrieb über den eigenen Simalaya-Shop (www.tibet-tee.de) einen weiteren bescheidenen Schritt, um meine „Tibet-Tee Mission“ zu erfüllen.
R.T.: Gehört für Sie Tibet-Tee zu einem Stück Kulturgeschichte Tibets? Das geheimnisumwobene Land am Himalaya zählt für viele Europäer als Traumziel, als magischer Ort. Hier muss man mindestens einmal im Leben gewesen sein! So schwärmen Mann und Frau gleichermaßen für die mächtigen Gebirgszüge, die stolzen Klöster, Yak-Rinder, die mystische Ausstrahlung der Landschaft und der tibetischen Lebensweise. Halten Sie das nicht für etwas viel Folklore „verwöhnter“ Westeuropäer?
J. Lin: Tibet ist in vielerlei Hinsicht ein Faszinosum. Gerade weil der Landstrich aus westlicher Sicht so arm und besonders scheint. Das Leben stellt die Menschen dort täglich vor extreme Herausforderungen.
Trotzdem: Die Tibeter wurzeln tief und viele lieben die traditionelle Art zu leben. Ich denke, es ist diese Zufriedenheit, die Genügsamkeit und Schlichtheit, die das Leben für Außenstehende dort so faszinierend erscheinen lässt.
Wer das Glück hat, direkt mit Tibetern vor Ort in Kontakt zu kommen, spürt sehr unmittelbar die innere Ruhe, Gelassenheit und die Herzlichkeit der Menschen. Es ist die Kunst heiter, aber ernsthaft das Leben als Geschenk anzunehmen. Deswegen: Folklore nein, Sehnsucht ja!
Aber zurück zur Frage Tibet-Tee und Kulturgeschichte. Mit Sicherheit lehne ich mich mit der Meinung nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage: Kulturgeschichtlich ist die Schwarztee-Spezialität des Tibet-Tees sehr eng mit der kulturellen Entwicklung Tibets verwoben. Das verdanken die Menschen übrigens mehr oder weniger einem Zufall, der dem Land vor fast 1400 Jahren diesen so besonderen Tibet-Tee geschenkt hat.
R.T.: Das hört sich bereits wieder spannend an, als hätte sich der Tibet-Tee selbst erfunden?
J. Lin: Das kann man so sagen: Als Brautgeschenk der chinesischen Prinzessin Weng Chin gestartet, gelangten im Jahr 641 zusammen mit ihr wertvolle Teeblätter aus dem Reich der Mitte an das tibetanische Königshaus. Die sechsmonatige, beschwerliche Reise in Sonne, Regen, Staub und Kälte setzte den zarten Teeblättern heftig zu. Dem Entstehen des historisch in seiner Art wahrscheinlich einzigartigen Fermentierungsprozess – heute sichern 18! Verarbeitungsstufen die Tibet-Tee-Qualität – verdankt der Tibet-Tee seine außergewöhnliche, wohltuend harmonische Geschmacksnote.
Offensichtlich war Songtsan Campu, der tibetanische König und Bräutigam nicht nur von der chinesischen Prinzessin Weng Chin begeistert. Ihr Liebesbeweis und „Mitbringsel“ in Form auserwählter Teeblätter fermentierte sich über die sechs Monate lange Reise zu einem erlesen milden Schwarztee.
In China zählt die Spezialität Tibet-Tee übrigens wegen der wunderbar kupfer-rötlich schimmernden Teefarbe in der Tasse zu den „roten Tees“. Die Bezeichnung Schwarztee im Westen leitet sich dagegen aus der Farbe der getrockneten Teeblätter ab.
Über die Teestraße als Teil der sogenannten südlichen Seidenstraße gelangten nach und nach größere Mengen des so besonderen Schwarztees in die Region. So kam auch mit der Zeit das „normale Volk“ in den Genuss der aromareichen anregend milden Teesorte, die in der Folge als Tibet-Tee bezeichnet und gehandelt wurde.
« Der Genuss dieses so speziell fermentierten Schwarztees war über Jahrhunderte in Tibet ein Privileg einzig des Königs und seiner Familie. »
R.T.: Der Tibet-Tee als wertvolles Handelsgut? Sprechen Sie die Entwicklung der Tee-Pferde-Straße zwischen Zentralchina und Tibet an?
J. Lin: Genau. Ich hatte es bereits erwähnt: Tibet war und ist unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein armes Land. Aber mit Geschick, Fleiß und Sachverstand züchteten die Tibeter eine besonders in Zentralchina enorm begehrte Handelsware: Pferde. Die Huftiere aus Tibet galten im Reich der Mitte als wahre Wunder – äußerst robust und leistungsstark, zudem außerordentlich genügsam und sehr gelehrig.
Clevere Kaufleute tauschten nun die Huf-Tiere gegen den Tee, der in Tibet seit jener bereits erwähnten Vermählung unter den Tibetern hohes Ansehen genoss. So boomte auf einem Teil der alten Teestraße zwischen Sichuan und Lhasa der Tibet-Tee-Handel. Vergleichbar mit der Seidenstraße durchzog die Teestraße China über fast 3000 Kilometer. Sie verband die traditionellen Teeanbaugebiete Yunnan im südlichen China oder Anhui beispielsweise mit Burma, Indien, Nepal oder Lhasa, der Hauptstadt Tibets.
Eine Verzweigung führte nach Sichuan und erschloss diese weiter nördlich von Yunnan gelegene Provinz für den Handel. Diese als „Tee-Pferde-Straße“ bekannte Verbindung, gilt als Initialzündung der wirtschaftlichen Entwicklung Tibets. In Richtung Tibet zogen nun über Jahrhunderte Karawanen mit teilweise 100 kg schweren Tee-Ziegeln aus Sichuan. Zurück in das Reich der Mitte exportierten Händler die wertvollen Tibet-Pferde, die in den chinesischen Feldzügen und Nachbarfehden der folgenden Jahrhunderte eine bedeutende Rolle innehatten.
R.T.: Der Genuss von Tibet-Tee spielt in Tibet nicht nur als Tee-Spezialität eine Rolle. Wie und warum erlangte der Tibet-Tee so eine überragende Bedeutung im Land?
J. Lin: Neben der wirtschaftlichen Bedeutung und dem Genuss-Aspekt spielt der Tibet-Tee unter gesundheitlichen und ernährungsphysiologischen Aspekten eine nicht zu unter-schätzende Rolle. Die Höhenlage und die natürlichen Gegebenheiten des Landes zwingen die Tibeter zu sehr fleischhaltiger Kost. Ein auskömmlicher Anbau, etwa von Gemüsen, ist schlicht nicht möglich.
Man sagt Tibet-Tee einen positiven Einfluss bei der Verstoffwechselung cholesterinhaltiger, fetter Nahrung nach. Aktuelle Berichte deuten in die gleiche Richtung und scheinen die weit über tausend Jahre alten Erfahrungen zu bestätigen. Solange streng wissenschaftlich fundierte Beweise noch nicht vorliegen, bleibt den Menschen nur das Vertrauen auf die Weisheiten und Überlieferungen traditioneller Gelehrter und Heilkundiger. Aktuell diskutiert man die positive Wirkung des Tibet-Tees als Antioxidans und seine antibakteriellen Eigenschaften. Auch im Zusammenhang mit der Entschlackung des Körpers und der Stimulierung des Leberstoffwechsels taucht Tibet-Tee immer wieder auf.
Die Tibeter sprechen vom Erwecken der Lebensgeister beim Genuss einer heißen Tasse Tibet-Tee. Man braucht sich nur einen Abend im Zelt auf einem sturmgepeitschten Hochtal des Landes vorzustellen. Schon ahnt man, wie gut eine Tasse Tibet-Tee nach einem kräftezehrenden Arbeitstag Körper, Geist und Seele tut. Auch in der Traditionellen chinesischen Medizin (TCM) schreibt man den Tibet-Tee genau diese wärmenden Eigenschaften zu.
R.T.: Zum Abschluss des Interviews bitten wir Sie uns noch ein einige Worte zum aktuellen Sortiment von Tibet-Tea zu sagen. Wie viel Tibet-Tee-Sorten kann man bei Tibet-Tea unter der Adresse www.tibet-tee.com erwerben? Gibt es neben der klassischen Tibet-Tee-Spezialität eventuell bereits weitere Tibet-Variationen?
J. Lin: In der Aufbauphase unseres Tibet-Tea-Shops erhalten unsere Kunden den klassischen Tibet-Tee vom Berg Ya’an aus der chinesischen Provinz Sichuan. Im Gegensatz zum Oxidationsprozess schwarzer Tees durch Luftsauerstoff, fermentiert der Tibet-Tee die feinen Teeblätter in ihrem Reifeprozess über Mikroorganismen permanent weiter. Bitter- und Gerbstoffe wandeln sich in weichere und mildere Polyphenole um. Im Ergebnis bestimmt der Grad des Fermentierungsprozesses den Geschmack, die Note und auch die Farbe des Tibet-Tees.
Aktuell bieten wir von Simalaya unseren Tibet-Tee in praktischen, aromaerhaltenden Losetee-Portions-Tüten an. 18 x 3 g Tee befinden sich in der hübschen Umverpackung. Parallel erhält man in den länglichen Verpackungen unseren Tibet-Tee im praktisch portionierten Teebeutel.
Bestens für eine Tibet-Tee-Zeremonie geeignet finde ich persönlich die in runde Form gepresste Tibet-Tee-Variante. 5 g – nach der traditionellen Methode aus gereiften Teeblättern sanft gepresst – ergeben etwa 800 ml – 1000 ml feinen, mild aromatischen Teegenuss. Aber Achtung: Aufgegossen mit 100 Grad heißem Wasser benötigt diese Tibet-Tee-Variation zur Vollendung des Aromas gut 20 – 30 Minuten Ziehzeit.
Wie wir aktuell feststellen, schätzen unsere Kunden die ersten beiden fein aromatisierten Tibet-Tee Sorten „Tibet-Tee-Kamille“ und „Tibet-Tee-Orange“ sehr. Die zarten Geschmacksnuancen kommen gut an und entwickeln sich im Onlineshop prächtig.
Redaktionsteam Tibet-Tee: Liebe Frau Lin, wir bedanken uns für das interessante und aufschlussreiche Gespräch! Und natürlich für die tolle Gelegenheit, den Tibet-Tee von Simalaya zu probieren. Sie haben nicht zu viel versprochen.
J. Lin: Gerne.